Was diskutieren wir dazu, was die Unternehmensführung sagt?

Im letzten Eintrag hab ich hier im eBetriebsrat-Blog eine Frage aufzuwerfen begonnen, die schon länger im Raum herumschwirrt. Und mit jedem neuen BR-Blog wird diese Frage immer relevanter.

Der Eintrag hieß ‘Was sagt die Unternehmensführung zu einem BR-Blog?‘ und berichtete am Ende des Eintrags von der schriftlichen Reaktion einer Geschäftsführung auf das Vorhaben eines Betriebsrats, ein BR- bzw. MitarbeiterInnen-Blog im Internet zu installieren.

Es handelt sich im Hintergrund wohl um einen konkreten Fall, für uns reicht aber, dass es sich um einen symptomatischen Fall handelt:

Als zweiter Teil der Dokumentation schließe ich hier – ganz original und daher teilweise nur stichworthaft formuliert – eine Email-Kommunikation zwischen mir und dem Kollegen Thomas Kreiml der Grundlagenabteilung Arbeit&Technik der GPA-djp an.

Beim untenstehenden Auszug handelt es sich um ein zweites Email von mir an den Kollegen der Grundlagenabteilung.
Das erste Email hat die Reaktion der Geschäftsführung enthalten, wie sie mir vom BR übermittelt wurde (und sinngemäß im letzten eBetriebsrat-Beitrag wiedergegeben wurde).

Hier seht ihr jetzt sowohl den größten Teil der Antwort des Kollegen Kreiml wie auch meine Rückantwort.
Wir beide – der Kollege von der Grundlagenabteilung und ich – haben uns im Anschluss übrigens lange zusammengesetzt und unter anderem beschlossen, unsere Diskussion, Rechercheergebnisse usw. für euch sichtbar online zu stellen.
Beide würden wir uns über Kommentare freuen! ❗

Emailverkehr:

> danke für die weiterleitung des mails und die info generell.
> tja, das scheint mir ein klassischer fall zu sein, der den knackpunkt der
> frage eines betriebsratsblogs markiert.

seh ich genauso

> darf der BR einen öffentlich
> zugänglichen blog ohne zustimmung der GF einrichten, oder nicht.

bin mir der juristischen implikationen bewusst und kann natürlich keine ins detail gehende antwort geben …
… aber diese frage muss eindeutig beantwortbar sein und kann nur lauten ja.

im umgekehrten fall, lautete die antwort nein, womit hätten wir es dann zu tun. definitiv nicht mit einer liberalen demokratie und einem modernen rechtsstaat.

diese frage und antwort ist eminent wichtig, würde ich behaupten. und sie hat einige, nicht nur juristische implikationen.

> und wenn ja,
> unter welchen umständen bzw. an welche regeln (inhaltliche etc.
> einschränkungen) hätte er sich dabei zu halten.

das ist genau die für uns relevante frage und aufgabenstellung.

aus oberer frage/antwort leitet sich doch ab, sag ich mal, dass der br dieses recht “prinzipiell” haben muss und wir
(1) klären müssen, welchen einschränkungen er dabei aber unterworfen ist,
(2) mit diesem spielraum als gewerkschaft arbeiten müssen und
(3) weiteren einschränkungen entgegen arbeiten müssen bzw.
(4) diese einschränkungen – v.a. wo sie ungerechtfertigt sind – reduzieren.

> prinzipiell sehe ich hier mal einen rechtlichen klärungsbedarf: welche
> rechtlichen argumente könnten wir für die befugnis des BR, einen
> (öffentlichen) blog einzurichten, einbringen. spielt diese rechtliche seite
> in deinen blod-seminaren eine rolle?

ja, auch in den seminaren.
erstens: zunehmend.
zweitens: unbefriedigend

genau hier hoffe ich ja auf unterstützung. 😉

> um einen blog möglichst rasch in einer weise nutzen zu können, bei der der
> BR rechtlich möglichst “auf der sicheren seite” ist, würde sich ein blog
> mit zugangsbeschränkung anbieten. wie siehst du das?

nein, das halte ich für die genau falsche vorgangsweise:
(1) einmal “versteckt” bleibt meistens versteckt
(2) ist das ein vorauseilendes kuschen mit negativen implikationen auf
(2.1) die gesamtsituation in einem betrieb und
(2.2) das Machtverhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmerseite

soll – in Kurzform – heißen:
im Verhandlungsspiel begibt man sich in die Rolle des Schwächeren und Schuldbewussten, aus der heraus keine Verhandlungsgewinne mehr möglich sind.

> ansonsten müsste der BR vorerst wohl genau darauf achten, dass auf seinem
> blog keine verbindung mit dem unternehmen hergestellt wird, die aus sicht
> der GF unerwünscht ist – wobei das mehr als heikel ist, weil sich die wohl
> schnell über irgendwas aufregen werden, wenn ihnen der BR-blog
> grundsätzlich nicht passt.

ja und nein.

erstens sag ich in den seminaren im prinzip genau das: achtet genau darauf, das keine problematischen inhalte und aussagen vorkommen.
das ist idR auch kein problem, weil nur auf ersten blick die konsequenz lautet, “ja dann kann ja gar nichts berichtet werden” (aber das im detail auszuführen, führte jetzt zu weit).

außerdem, ein keylearning der bisherigen gesamtoffensive “BR-Blogs” ist:
es geht gerade nicht um den inhalt sondern um die autonomie des blogs!
soll heißen, viel besser ein autonom im www vom untenehmen unabhängiges blog ohne problematische inhalte als eine kritisches blog im (zB) intranet des unternehmens.

zweitens, ein ganz entschiedenes: das sehe ich nicht so!
es kann/darf nicht darum gehen, was aus der sicht einer GF “erwünscht” ist.
das “aufregen” ist natürlich eine taktik der GF im politischen feld des interessenskonflikts zwischen GF und BR.
wenn wir bereits vor der schieren option einer taktik der GF insoferne kneifen, als wir diesen umstand unsere prinzipiellen strategien und rechte einschränken lassen, dann tun wir selbst uns mehr weh als die arbeitgeberseite.

> jedenfalls wäre zu klären, was ein BR auf jeden fall auch öffentlich an
> informationen über seine firma in die welt setzen darf, ohne mit
> irgendwelchen rechtlichen problemen rechnen zu müssen. ich bin mir aber
> nicht so sicher, ob das besonders viel ist.

das wäre sehr hilfreich, das zu klären.

aber das ist viel weniger ein problem, als meistens angenommen wird.

viel hilfreicher wird es sein zu klären, was alles ein BR-blog belebt und sinnvoll macht, ohne dass es informationen obiger kategorie enthält, nämlich “über die firma”.
es zeigt sich laufend, dass das unglaublich viel und sehr viel sinnvolles ist.

was wir bereits ausarbeiten sind immer mehr fallbeispiele für: “womit können wir unser br-blog befüllen” (und die konsequenz heißt nicht: belangloses).

was wir umbedingt tun müssen, dieses wissen nicht nur an die BRs bringen sondern auch in die (skeptische) gewerkschaft.
hier hängt es an falschen annahmen, dass meist an “problematische” inhalte gedacht und der rückwärtsgang empfohlen wird.

> ich bin zwar grundsätzlich für alle möglichen formen des informellen
> unkomplizierten austauschs zu haben – you know -, hätte aber nichts
> dagegen, dass die beratungsrelevanz solcher fälle in der GPA-djp zunimmt –
> sonst wird immer nur um das thema herum geredet bzw. wird es
> stiefmütterlich behandelt.

wieder ganz deiner meinung.
einen großen schritt in die richtung sollten wir gerade machen, eine größere veranstaltung mit mehreren teilnehmenden organisationen anfang 2010 ist mittlerweile sehr realistisch. (ögb-verlag, renner inst., spö)

> falls es dem BR ein anliegen ist, könntest du
> ihm raten, sich damit an den/die zuständige/n sekretärIn zu wenden,
> nötigenfalls auch gleich mit dem hinweis, dass der/die sich an mich wenden
> soll, für den fall, dass er/sie die sache irgendwie “abtut”.

danke dir thomas!
werde ich jedenfalls weiterleiten.
hinzu kommt, ich werde den koll. kontaktieren und nochmal raten, in der anfangsphase ganz bewusst nur solche infos zu bloggen, die sicher problemlos sind und sein müssen. dann am 3ten tag unseres seminars (14.okt.) werde ich das genau mit ihm besprechen können.

zu diesem absatz von dir noch soviel: er zeigt doch genau die von dir oben schon angesprochenen notwendigen schritte, nämlich das klären der grenzbereiche und aber auch – ganz wichtig – das informieren und unterstützen der sekretärInnen, die damit konfrontiert werden können.

lg
chr.

Weitere Teile der Dokumentation werden folgen, das Thema wird uns alle immerhin noch länger beschäftigen.

6 Gedanken zu „Was diskutieren wir dazu, was die Unternehmensführung sagt?

  1. Peter Schöffmann

    Tja, Christian was diskutieren wir da?
    Die auch von Thomas angeführten Überlegegungen können schon ihre Berechtigung haben, aber:
    Der Betriebsrat hat nicht nur das Recht sondern auch die Pflicht zu informieren und zu komunizieren. Welches Medium er dazu wählt kann nicht vorgeschrieben werden.
    Wenn wir beim Recht sind, die freie Meinungsäußerung steht jedem zu, das Unternehmen kann und ist durchaus eingeladen, Stellung zu nehmen.
    In der Natur der Sache liegt, nicht jeden muß jede Meinug interessieren.
    Wir setzen jetzt voraus die Mitteilungen des Betriebsrats sind korrekt, verstoßen nicht gegen geltendes Recht, keine Verbalinjurien etc.
    Firmeninterne Zahlen wie Konditionen, Einkaufspreise, Tagesumsätze und ähnliches wird wohl kein Betriebsrat ins Web stellen, wozu auch.
    Dann wäre noch die Überlegung wie bleibt diese Kommunikationsform unabhängig – nun selber finanzieren. Selbst bei eigener Domain liegt das in einem Bereich den jede Betriebratskasse verträgt.
    Kein Bedarf an Speicherplatz am Firmenserver – keine Möglichkeit der Einschränkungen.
    Bleibt noch die gezielte Einflußnahme auf eine Person des Betriebsrats. Ist sie diskutabel, reden wir darüber – ist sie nicht diskutabel, reden wir auch darüber – vor Gericht.
    Die Einstellung der Kolleginnen und Kollegen wird irgendwo zwischen Begeisterung, Interesse und Gleichgültigkeit liegen, wie bei jedem Medium und jedem anderen Vorkommnis. Dezitierte Ablehnung oder Anfeindung kann ich mir nicht vorstellen, warum auch – es besteht ja keine Verpflichtung zum Besuch der Seite.
    Wie bereits an anderer Stelle beschrieben, Web 2.0 liegt durchaus im Interesse beider Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer – wenn sie offen aufeinander zugehen.
    Davor sollten wir uns nicht fürchten, daran müssen wir arbeiten – alle. (Wenn´s vielleicht auch manchmal nicht so einfach ist 😉 )
    Liebe Grüße Peter

    Antworten
  2. Besserwissa

    Hallo,

    sorry, ich kann hier (noch) nicht mit Klarnamen schreiben, wollte mich aber trotzdem mal in die Diskussion einklinken und nebenbei auch gleich etwas fragen.

    Zuerst zu meinem Hintergrund: Ich bin Mitarbeitervertreterin (keine offizieller Betriebsrat) in einer größeren Institution (privatwirtschaftlich). Wir von der Mitarbeitervertretung haben festgestellt, dass sich unsere kommunikation mit den Kollegen vorsichtig formuliert optimieren ließe. Wir dürften zwar im Mitarbeiterportal Meldungen veröffentlichen, dieses Mitarbeiterportal ist aber technisch so vorsintflutlich, dass ich eigentlich keine Lust habe meine wertvolle Zeit darauf zu verschwenden. Jetzt kam mir der Gedanke, dass Blog-Software eigentlich ideal wäre, um so ein Kommunikationstool aufzuziehen.

    Problem – ihr bügelt das oben einfach so weg – wie lässt sich das Ganze sinnvoll zugangsbeschränken (auf Mitarbeiter des Hauses)? Geht das überhaupt? Welcher Anbieter böte sich an?

    Meine Meinung zum Thema Zugangsbeschränkung: Ohne geht es nicht. Unternehmensinterna, Differenzen zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern, schlicht und einfach Namen (die in einzustellenden Dokumenten und bestimmten Diskussionen unweigerlich auftauchen) gehen niemanden draußen etwas an. Verständlicherweise ist solch eine Darstellung nach außen etwa vor Kunden nicht im Interesse des Arbeitgebers und damit logischerweise auch nicht dem Interesse der Beschäftigten …

    So, jetzt bin gespannt, wie ihr zu diesem Thema steht und ob ihr ein Tipps für mich habt.

    Viele Grüße von
    der anonymen Besserwisserin 😉

    Antworten
  3. hc voigt

    mmh. hallo anonyme besserwisserin 😉

    mailst du aus österreich oder aus deutschland?
    (vor 2erlei hintergrund vl. relevant. erstens geht es hier ja auch um rechtl. grundlagen, die da manchmal zu bedenken sind und zweitens würde ich dir für D eine person empfehlen.
    innerhalb von A die kontaktaufnahme mit mir.)

    ad weggebügeltem problem. nein, das bügeln wir nicht weg. das besprechen wir in workshops in etwa einen halben tag lang und widmen uns dem in allen möglichen szenarien.

    plus: wir haben schon einige erfahrungen dazu gemacht, die – sehr verkürzt – in eine andere richtung gehen als das, was du in deinem letzten absatz skizzierst.
    damit will ich umgekehrt deine bedenken nicht als unberechtigt negieren.
    … deswegen, schreib noch mal, ob D oder A und wir sprechen uns zusammen.
    geht natürlich auch per telefon, skype, …

    lg
    chr.

    Antworten
  4. Besserwissa

    Hallo zusammen,

    dass euer Angebot in Österreich beheimatet ist, ist mir in meiner ersten Begeisterung (dass sich schon mal jemand mit dem Thema Betriebsrat und Bloggen befasst hat) gar nicht aufgefallen 😉 Also, ich mache meinen Job als Mitarbeitervertreterin in Deutschland, in einem Unternehmen, das erst seit zweieinahlb Jahren solch ein Organ hat – ich bin seitdem dabei, mache sowas aber auch zum ersten Mal. Alle Beteiligten bei uns sind also noch in einem Lernprozess. Deswegen wäre es für mich wahrscheinlich sehr hilfreich, wenn ihr mir einen Kontakt in D nennen könnte.

    Vielen Dank für die Hilfe und viele Grüße
    bw

    Antworten

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